Die Zuckerfabrik Nauen stand für über 100 Jahre Zucker aus Nauen. Es war der 24. Oktober 1889 als in Nauen die zu der Zeit größte und modernste Rübenrohzuckerfabrik in Europa eröffnete. Über viele Jahre prägte die Zuckerfabrik das Stadtbild was auch an den vielen mit Zuckerrüben beladenen Transportmitteln lag. Zu seinen Spitzenzeiten waren bis zu 1000 Menschen in der Zuckerfabrik Nauen beschäftigt.
Bereit 1882 dachte man aufgrund steigenden Zuckerrübenanbau über den Bau einer Zuckerfabrik nach, es dauerte dann noch bis 1888 bevor man mit dem Bau begann. Im Dezember 1888 wurde von Großbauern und örtlichen Industriellen mit einer Million Reichsmark Gründungskapital ausgestattet, eine Aktiengesellschaft gegründet.
Nötig wurde dieser Schritt auch da durch Wirtschaftsblockaden in Großbritannien die Zuckerlieferungen aus Übersee ausblieben. Deshalb begann man in Europa als Alternative immer mehr Zuckerrüben anzubauen. Die Zuckerfabrik erzeugte aus den Rüben Rohzucker welcher dann in Zuckerraffenerien zu Weißzucker verarbeitet wurde. Täglich wurden ca. 1500 Tonnen Zuckerüben verarbeitet.
Im Frühjahr 1893 wurde damit begonnen eine Eisenbahntrasse von Ketzin nach Nauen zu bauen um die Rüben leichter von den Feldern zur Fabrik zu bekommen. Ein halbes Jahr später im Oktober 1893 wurde der mit dem Güterverkehr von Ketzin nach Nauen begonnen.
Im ersten Produktionsjahr verarbeitete man ca. 31.000 Tonnen Zuckerrüben und wenn man bedenkt das Ende des 19. Jahrhunderts nur wenig Technik und sehr viel Körperkraft eingesetzt werden musste ist das eine sehr beachtliche Menge. Ein einfacher Angestellter musste sich mit 7 – 15 Pfennigen pro Stunde zufrieden geben. Das Kilo Zucker kostete im Laden dann 55 Pfennige.
Aufschwung durch Investition
1947 stellte man die komplette Produktion in der Zuckerfabrik Nauen komplett auf Weißzucker um. In den 50er und 60er Jahren wurde die Produktion auf 2000 Tonnen Zuckerrüben täglich erhöht. 5% des Zuckers der DDR kam aus Nauen, auch nach Westdeutschland und ins Ausland bis nach Indien wurde Zucker aus Nauen geliefert.
Kurz nach dem Mauerfall erwarb die Kölner Firma Pfeifer und Lange das Gelände der Zuckerfabrik in Nauen. Leider kam im Jahr 1992 das Aus für die Nauener Zuckerfabrik, nach 104 Jahren Zuckerproduktion wurde die Fabrik geschlossen.
In der letzten Kampagne im Jahre 1992 wurden ca. 2450 Tonnen Zuckerrüben täglich in ca. 350 Tonnen Weißzucker verarbeitet.
Das Video zur Letzten Zuckerkampagne ►►► https://youtu.be/QbEgLy8Niik
Zuckerfabrik Nauen 100. Jubiläum – DDR Propagandaschrift:
100 Jahre Zucker aus Nauen
Zu dem Jubiläum – 100 Jahre Zucker aus Nauen – gesellen sich im Jahre 1989 in unserer Kreisstadt noch zwei weitere wichtige Ereignisse: Wir begehen das 40jährige Bestehen unserer Republik und eröffnen aus diesem Anlass in einem rekonstruierten Ackerbürgergrundstück mit Fachwerkcharakter eine erste eigene Wirkungsstätte für das Museum unserer Kreisstadt.
Die Geschichte der Zuckerfabrik Nauen bis 1945
Die Gründung von Zuckerfabriken, ursprünglich nur im Interesse von Junkern und anderen Rübenproduzenten liegend, wird im aufstrebenden Kapitalismus auch für den Industriellen und den Handelsunternehmer interessant.
Die 1888 gegründete Aktiengesellschaft nimmt am 24.10.1889 in der Zuckerfabrik Nauen die Herstellung von Rohrzucker auf. Das Aktienkapital betrug damals 1.000.000 Reichsmark. Der Zuckerfabrik angeschlossen waren damals die Seegefelder Kraftfutterwerke, Seegefelder Sena-Werke, das Rittergut Neukammer, das Rittergut Bredow sowie 250 Arbeiter und Angestellte, während der Kampagne sogar 1000. In der ersten Kampagne wurden auf einer Anbaufläche von 964ha 31.000t Zuckerrüben produziert mit einem Zuckergehalt von 11,73%.
Neben den Vorstandsmitgliedern Weule und Troll tauchen im Gründungjahr und in den folgenden Jahren die Namen:
- v. Bredow
- Bredow Stolze
- Neukammer Jordan
- Kuhhorst Strandes
- Zehringen v. Ribbeck
- Ribbeck Kraatz
- Nauen Hübener
- Nauen als Aufsichtsratsmitglieder auf.
Neben diesen Repräsentanten des Vorstandes und des Aufsichtsrates teilt sich die Belegschaft in Arbeiter und Angestellte. Zu letzteren zählten lange Zeit auch die Mitarbeiter mit einer wissenschaftlichen Ausbildung. Man sprach früher auch von einem sogenannten „Zuckerbeamtentum“.
In der Zeit bis zum ersten Weltkrieg „blüht“ die kapitalistische Entwicklung. Eine Erfindung löst die andere ab – die Fabriken versuchen, sich dem aktuellen Standard anzupassen.
Diesel baut 1898 seinen Motor – Herzfeld gründet in Berlin das Institut für Zuckerindustrie – Classen schreibt ein wichtiges Standardwerk, welches 15 in- und ausländische Auflagen erlebt – Stock entwickelt den ersten Motortragpflug.
Die Arbeit in den Zuckerfabriken blieb trotzdem an den wesentlichen Stationen des technologischen Ablaufes schwer. Der Mechanisierungsgrad in den Transport- und Umschlags-Prozessen war gering entwickelt – manuelle Arbeit hatte den Vorrang. Das erforderte einen hohen Arbeitskräfteeinsatz während der Kampagne. Männer verdienten 15 Pfennige pro Stunde, Frauen bekamen gerademal 7 Pfennige. 1Kilogramm Zucker kostete im Laden damals 55 Pfennige.
1905 kaufte der Vorstand der Zuckerfabrik Nauen die 1901 erbaute, wirtschaftlich schwächere Zuckerfabrik in Ketzin auf. Erst 1947 erfolgte die Trennung beider Werke. Damals zählte die Zuckerfabrik Nauen zu den modernsten und – durch den Zusammenschluss mit Ketzin – zu den reichsten Deutschlands.
Der erste Weltkrieg ließ die Kontinuität auch in der Entwicklung der Produktivkräfte der Zuckerindustrie nicht mehr zu: Produktionen an Rüben und Zucker wurden eingeschränkt, Fabriken stillgelegt. Die Zuckerfabrik Nauen hält die Produktion mit Hilfe von Kriegsgefangenen, unter anderem aus Russland, aufrecht. Mitten im ersten Weltkrieg – 1916 – wird Harney Generaldirektor der Zuckerfabrik Nauen. Er wird über die Zeiten bis 1945 die Geschicke der Fabrik und des Verbandes der Zuckerfabriken in Deutschland entscheidend beeinflussen. Mit seiner Person sind kapitalistischer Produktionsaufschwung, Krisenhaftigkeit in Zeiten der Inflation und der Weltwirtschaftskrise und kapitalistische Ausbeutung in gleicher Weise verbunden. Er brachte die Mehrheit des Aktienkapitals in seinen Besitz.
Auf den ersten Weltkrieg folgt die Weimarer Republik. Die beibehaltenen kapitalistischen Produktionsverhältnisse bringen Not und Demütigung über die völlig abhängigen Lohnarbeiter – bei krisenbedingtem Produktionsrückgang – nicht selten Arbeitslosigkeit. Nur eins blieb nahezu unangetastet: die Dividende der Aktionäre.
Besonders in den Jahren der Inflation und der Weltwirtschaftskrise sind auch in der Zuckerfabrik Nauen Kampfhandlungen der Arbeiterklasse zu verzeichnen. Diese zielen auf Verbesserung der Lohnzahlungen. Streiks haben aber so gut wie keine Wirkung auf die Verbesserung der Lebensbedingungen. Zahlenmäßig schwach repräsentiert und politisch nicht geeignet erzielt die Arbeiterklasse kaum spürbare Erfolge.
Mit der Machtergreifung Hitlers wird die politische Arbeit der Arbeiterparteien verboten – alle Erscheinungsformen des Faschismus werden auch in der Zuckerfabrik Nauen wirksam.
Der Zweite Weltkrieg forderte das Leben vieler Produktionsarbeiter. Die Profite und Dividenden wurden unter der zur Parole erhobenen Aussage „Sicherung der Volksernährung“ garantiert, indem die Produktion durch den Einsatz von Kriegsgefangenen, besonders aus der Sowjetunion, aufrechterhalten wurde.
Das Ende des Zweiten Weltkrieges brachte auf dem Territorium der damaligen sowjetischen Besatzungszone die Voraussetzungen zur Übernahme der Macht durch die Arbeiterklasse. Das Erbe in der Zuckerfabrik Nauen: Repräsentativbauten der Unternehmer, unmoderne Produktionsanlagen, kaum vorhandene bzw. völlig unzureichende soziale und sanitäre Einrichtungen für die Arbeiter auf dem Gelände der Zuckerfabrik und in deren Wohnungen. Leiden in fast allen Familien der Zuckerwerker durch die Auswirkungen des Krieges. Antreten mussten alle: die Arbeiter, die ehemaligen „Zuckerbeamten“ im produktiven Bereich, die Angestellten und nicht zuletzt auch die Landarbeiter.
Die Geschichte der Zuckerfabrik Nauen ab 1945
Die Zerschlagung des Hitlerfaschismus brachte Deutschland die Chance des antifaschistisch-demokratischen Neubeginns und den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsordnung. Zunächst galt es, die erste Kampagne nach dem Krieg vorzubereiten.
In einem Punkt waren sich alle einig, die sich nach dem Krieg eindeutig zu antifaschistischen Positionen bekannt haben: Es darf nie wieder einen Krieg geben. Und: Wenn die Produktionsmittel Eigentum des Volkes werden, hat es das Volk selbst in der Hand, sich nach und nach selbst die längst notwendige Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen zu schaffen. Man wusste aber auch, dass man aus der im Volksmund so benannten „Quetsche“ nicht von heute auf morgen einen Betrieb schaffen konnte, in dem die manuelle schwere Arbeit durch Mechanisierung und Automatisierung weitgehend abgeschafft ist.
Der kapitalistische Generaldirektor Harney wurde enteignet – es wurde zunächst eine Treuhandgesellschaft gegründet, die wenig später in einen VEB umgewandelt wurde.
Harney – obwohl nie Mitglied in der NSDAP, wie ehemalige Arbeiter unter ihm zu berichten wissen – wollte seine konservativen Ansichten nie aufgeben. Er setzte sich bald in die westliche Besatzungszone ab.
Der Landrat Walter Fenz setzte im Einvernehmen mit den Genossen der sowjetischen Militäradministration den Ingenieur Hermann Eckert als Leiter ein. Ihm oblag die Aufgabe, mit den vielen, im Einzelnen nicht aufzuzählenden Aktivisten der ersten Stunde den Beitrag zur Sicherung der Ernährung mit zu garantieren.
Der letzte Betriebsrat unter Harney, Fritz Müller, wurde der erste Parteisekretär, an der Spitze einer zahlenmäßig kleinen Parteigruppe. Dennoch bildete sie das Zentrum der Arbeiterklasse in der Kreisstadt, den Kern der Ortsgruppen der beiden Arbeiterparteien, die 1946 im Saal der späteren HO-Gaststätte „Volksgarten“ mit anderen Genossen aus den Betrieben der Kreisstadt und des Kreises die Vereinigung der Arbeiterparteien vollzogen.
Die Zuckerfabrik war damals neben den Privatbetrieben Rühle, Schmidt und Sohn, dem Sägewerk und Seifenhahn die Fabrik mit der größten Beschäftigungszahl. Von Werktätigen dieser Betriebe wurden die politischen Impulse auf das öffentliche Leben der Stadt weitergegeben.
Die erste Kampagne war besonders schwer. Die landwirtschaftliche Produktion konnte einen Zuwachs an produzierten Rüben noch nicht garantieren. Ein großer Teil der Produzenten sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Zuckerfabrik waren Frauen, ältere männliche Arbeiter und Invaliden.
Die Anregungen Walter Ulbrichts, der im Oktober 1945 in Nauen sprach und dabei auf die Notwendigkeit der gegenseitigen Hilfe der Bauern untereinander wie auch auf die erforderliche Unterstützung der Bauern durch die Arbeiterklasse hinwies, führten schnell zu einer Solidarität. Die führenden Kräfte der Partei der Arbeiterklasse, der Jugendorganisation, der Gewerkschaft waren in der vordersten Reihe der Aktivisten der ersten Stunde zu finden.
In die Struktur der Zuckerfabrik gehörte immer noch ein beträchtlicher Teil an Landwirtschaft. Das ermöglichte eine bessere Versorgung der Werktätigen in der Betriebsküche als in anderen Betrieben. In diesen schweren Zeiten wurde daher in der Zuckerfabrik nicht so sehr nach der Höhe der Bezahlung gefragt.
Die Neubauern, die durch Maßnahmen der demokratischen Bodenreform mit Land ausgestattet wurden, hatten es schwer, sich gegen die ehemalig privilegierten Mittelbauern, Ackerbürger und Aktionäre durchzusetzen.
Die Partei der Arbeiterklasse führte diesen Klassenkampf an der Seite der Neubauern im Interesse der Durchsetzung der mit der demokratischen Bodenreform verbundenen Festlegungen konsequent und erfolgreich.
Ein erster Markstein in der Entwicklung der Zuckerfabrik war die Umstellung der Rohrzuckerfabrik auf die Produktion von Weißzucker im Jahre 1947 und die wirtschaftliche Trennung der Fabriken Ketzin und Nauen (Im Jahre 1964 wurde die Zuckerfabrik Ketzin zu einem Kraftfuttermischwerk umprofiliert.)
Das Streben der erfahrenen Meister des Werkes war es, den volkseigenen Betrieb ständig so zu modernisieren, dass sich die Arbeitsbedingungen im Rahmen der Möglichkeiten zunehmend verbesserten. Das bezog sich auf alle Bereiche, besonders aber auf die, in welchen die manuelle Arbeit mit Zuckerrüben, Kohle, Kalksteinen, Zuckersäcken, Trockenschnitzeln und an solchen Anlagen, wie die Schlammpressen, Zentrifugen, Dampferzeugern u.a. noch überwog. Im neuen technischen Leiter und späteren Betriebsleiter Paul Lindner, einem ehemaligen Schiffsmaschinenschlosser, hatte sie nicht nur einen kompetenten Leiter, sondern auch einen guten Praktiker und Fachmann gefunden.
Die Gründung der DDR als logische Folge auf die Bildung der BRD ist zugleich Abschluss einer Übergangsperiode. Die Übernahme der Macht durch die Arbeiter und Bauern aus den Händen der Sowjetarmee war auch für die Zuckerwerker Gelegenheit, ihren Beitrag zur Festigung der sozialistischen Produktionsverhältnisse zu planen und zu leisten, in der Stadt und im Bündnis mit den werktätigen Bauern auf dem Lande.
Zur Erfüllung der Bündnispflicht, die die Arbeiterklasse gegenüber den werktätigen Bauern schon mit dem entsprechenden Programm der KPD 1932 eingegangen war, gehörte auch, sich auf die gesellschaftlichen Bedingungen in der landwirtschaftlichen Produktion einzustellen. Den LPG´en und den werktätigen Bauern mussten verbesserte Vertragsbedingungen zur Rübenerfassung und -abnahme geschaffen werden.
„Arbeiterklasse aufs Land“ – unter diesem Motto hatte die Zuckerfabrik Nauen die Patenschaft über die LPG Wernitz übernommen. Arbeiter der Zuckerfabrik sind nach Wernitz gegangen und haben vor der Kampagne in der Ernte geholfen. Bauern kamen in der Kampagne zur Fabrik. Zum Beispiel Willi Wrugel, damals Bürgermeister in Wernitz, war in den Kampagnen Heizer in der Zuckerfabrik. Schichttraktoristen der Zuckerfabrik wurden zu Hilfeleistungen in die MTS Zeestow geschickt.
Die Bestrebungen, die Planwirtschaft unseres jungen Staates erfolgreich und kontinuierlich zu entwickeln, wurden durch die Einflüsse des Westberliner sogenannten „Ostbüros“ und ähnlicher Organisationen in dieser Zeit stark gefährdet. 1952 konnten in der Zuckerfabrik Nauen 2 Agenten des oben genannten Büros festgenommen werden.
Die Steigerung der Produktion und Durchsetzung sozialistischer Produktionsverhältnisse konnte nur über eine allseitige Rationalisierung der Arbeit, das heißt im Wesentlichen über umfangreiche Rekonstruktionen und Investitionen erreicht werden. Der hohe Aufwand an Arbeitskräften in beiden Produktionszweigen, besonders in den Spitzenzeiten der landwirtschaftlichen Produktion und in der Rübenkampagne musste schrittweise verringert werden.
An der Humboldt-Universität in Berlin nahm in dieser Zeit das Institut für Zuckertechnologie die Arbeit auf. Mit der Ausbildung von Fachkadern für die Zuckerindustrie und für die Forschung entstand ein wissenschaftlicher Vorlauf – eine notwendige Voraussetzung der planmäßigen Rationalisierung der Zuckerindustrie. Die Nähe des Standortes der Zuckerfabrik Nauen zur Humboldt-Universität Berlin führte zu einer engen Zusammenarbeit bei der praxisverbundenen Ausbildung von Studenten. Ganze Seminargruppen waren mit ihren Dozenten zu praktischen Versuchen in Nauen.
Besonders in der Zeit der Rekonstruktion der Fabrik hatten die Zuckerwerker nicht immer einfache Bedingungen. Das Tempo und die hohen Leistungen aller Beteiligten (einschließlich Fremdfirmen) sicherten auch in Nauen die Durchführung aller Rübenkampagnen. Die Rekonstruktionsmaßnahmen wurden immer zwischen den Kampagnen durchgeführt.
Unter Führung der Parteiorganisation und aller anderen gesellschaftlichen Kräfte des Betriebes und im engen Zusammenwirken zwischen Betriebsleitung und den Kollektiven wurde oft mit viel Risikobereitschaft rekonstruiert und produziert. Kampfbedingungen haben auch Kampfgeist und Überzeugungen geweckt. Die Feststellung „. . . wir brauchen ja den Zucker, jeder von uns braucht ihn“ oder „Die Ernährung der Bevölkerung muss gesichert werden“ waren auch nach Abschaffen der unnötig gewordenen Lebensmittelrationierung im Jahre 1958 eine wichtige politische Aufgabe, mit der sich die Zuckerwerker identifizierten. Das hatte eine besondere Bedeutung unter den verschärften Bedingungen des Klassenkampfes in einem Grenzkreis zu Westberlin.
Die Rekonstruktion, vollzogen in fast allen Produktionsbereichen der Zuckerherstellung einschließlich Kraftwerk, Kalkbrenn- und Löschanlage sowie der Transport-, Umschlags- und Lagerungsprozesse, vollzogen in einer Frühphase der sozialistischen Reproduktion, waren nicht nur von Erfolg gekrönt. Auch Rückschläge mussten hingenommen werden. Nicht alle Maßnahmen brachten sofort den gewünschten Erfolg. Viele Neuererideen waren gefragt und wurden kurzfristig in die Praxis umgesetzt. Unter Einbeziehung wissenschaftlicher Kader aus dem Forschungsinstitut des Industriezweiges wurden technologische Probleme gemeinsam gelöst.
Nach der Sicherung der Staatsgrenzen im Jahre 1961 war es besonders wichtig, den begonnenen Weg der schrittweisen Rekonstruktion des Betriebes konsequent fortzusetzen.
Jährlich werden mehrere Millionen Mark aufgewendet, um mit Hilfe von Investitionen und Rationalisierungsmaßnahmen den sozialistischen Reproduktionsprozess mit dem Ziel fortzusetzen, ständig die Steigerung bzw. die Sicherung der Produktionsergebnisse bei gleichzeitiger Einsparung von Arbeitskräften, besonders von Saisonarbeitern, zu gewährleisten.
Mit der ständigen Freisetzung von Arbeitskräften leistet die Zuckerfabrik einen Anteil an der Realisierung der Bündnisverpflichtung der Arbeiterklasse gegenüber der Klasse der werktätigen Bauern in der Landwirtschaft.
Der 8. Parteitag der SED im Jahre 1971 formulierte für eine entwickelte sozialistische Gesellschaft in unserer Republik als Hauptaufgabe die Herstellung der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die Werktätigen der Zuckerfabrik waren auf dem richtigen Wege: In Zusammenhang mit der betrieblichen Rekonstruktion verbesserten sie gleichzeitig ihre Arbeits- und Lebensbedingungen. Die soziale Betreuung der Werktätigen profilierte sich im Betrieb und im Territorium der Stadt Nauen. Die Zuckerwerker festigten auch die Verbundenheit mit ihrer Heimatstadt. Für den größten Wohnbezirk der Stadt wurde die Partnerschaft übernommen. Das Neubaugebiet in diesem Wohnbezirk verdankt der Zuckerfabrik nicht nur den Heizungskomfort.
Partnerschaftliche Beziehungen zu Einrichtungen der Volksbildung, des Gesundheitswesen, der Kultur und des Sportes, der Wohnungsbaugenossenschaften und zu gesellschaftlichen Gremien im Wohnbezirk waren dafür lebendiger Ausdruck.
Werktätige der Zuckerfabrik leisten seit 1963 engagiert und erfolgreich ihren wehrpolitischen Beitrag in den Kampfgruppen der Arbeiterklasse. Gemeinsam mit Kämpfern aus anderen Betrieben stellen sie sich der wichtigen Aufgabe für die Menschheit: Sicherung des Friedens und Schutz des geschaffenen Lebensniveaus. Der VEB Zuckerfabrik Nauen – von 43 Zuckerfabriken in der DDR die einzige im Bezirk Potsdam – realisiert fast 5% der Gesamtzuckerproduktion der Republik. Sie ist versorgungspflichtiger Betrieb für die Hauptstadt Berlin und den Bezirk Potsdam mit allen Zuckersortimenten, es wurde außerdem ins Ausland in den Westen und bis nach Indien exportiert. (Dafür erfolgten aus anderen Zuckerfabriken der DDR auch Zulieferungen.) Dieser hohen Verantwortung zur bedarfs- und qualitätsgerechten Versorgung stellen sich die Zuckerwerker auch weiterhin. Dafür leistet jeder Werktätige an seinem Arbeitsplatz entsprechend seiner Kenntnisse und Fähigkeiten seinen Beitrag.
Nach dem Fall der Mauer 1990 wurde das Gelände der Zuckerfabrik Nauen vom deutschen Zuckerhersteller Pfeifer und Lange aus Köln gekauft. Am 31. März 1993 kam nach 104 Jahren Zuckerproduktion in Nauen das Ende für die Zuckerfabrik Nauen.
Zeittafel ab 1945
Über wesentliche Maßnahmen zur Rationalisierung des Betriebes sowie zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen
1946/47 Technologische Umstellung von Rohrzucker auf Weißzucker. (Realisierung in Eigenleistung ohne Investitionen)
1949 Lagerhalle für 8.000t Weißzucker in Säcken. (demontierte Stahlkonstruktion vom ehemaligen Luftschiffhafen Staaken)
1950 Kesselhaus mit einem Dampferzeuger. (7t/h Dampf bei einem Druck 14kp/cm²)
1955/57 Industriekraftwerk mit 2 Dampf- und 2 Stromerzeugern mit Leistungen von Insgesamt 64 t/h und 4 MWh
1956 Aufstockung des Produktionsgebäudes Vorderbetrieb mit Dacherneuerung in Vorbereitung auf die Rekonstruktion der technologischen Ausrüstung
1959/60 BMA-Extraktionsturm und Extraktreinigungsanlagen
1960 Werkstattgebäude mit Elektrowerkstatt, Schlosserei, Dreherei, Schmiede, Kupferschmiede, Tischlerei, Schweißraum und Gießerei. In der 1. Etage dieses Gebäudes entstanden Sozialräume (Aufenthalts- und Umkleideräume, Wasch- und Duschräume und Toiletten) für 200 Werktätige in der Produktion.
1960 Umgestaltung eines ehemaligen Kalkofengebäudes und Ausbau von Albor- undBüroräumen sowie einer Betriebssanitätsstelle
1960 Rekonstruktion des Filterturmgebäudes
1961 Rundklärbeckenanlage für die Aufbereitung des Rübenschwemm- und Waschwassers. (getrennte Abscheidung von Sand- und Humusboden aus der Rübenerde)
1961/62 Neubau eines Produktionsgebäudes für die Weißzuckeraufbereitung. (Trocknung, Kühlung, Absiebung und Absackung)
1962 Rekonstruktionsmaßnahmen im Zuckerhaus
1964 Bau von 14 Betriebseigene Wohnungen, Kompressorengebäude und Schwemmwasserpumpenhaus
1965 Bau einer Schwefeldioxid-Anlage, zwei Bungalows in Neuglobsow, Ortsteil Dagow für die Verbesserung der Urlaubsbedingungen. (zwei weitere Bungalows wurden 1968 errichtet)
1966 Gebäude und Ausrüstung für die Puderzuckerproduktion
1967 Extraktionsanlage für die Abwasseraufbereitung. Werkstattgebäude für die Reparatur mobiler Technik
1968 Produktionsgebäude für eine 1kg-Weißzuckerabpackanlage einschließlich Versandlager für die Fertigungserzeugnisse mit einer Kapazität von 1.000 t Kleinpackungen auf Paletten
1970 Feuerlöschteich mit Löschwasserversorgung über eigenen Tiefbrunnen, Sozialgebäude mit Kultursaal für 280 Sitzplätze und Betriebsküche, Mehrzweckraum im Keller des Gebäudes mit 40 Sitzplätzen.
1971 Straßenfahrzeugwaage mit 2 Doppelverbundwaagen
1972 Rübenprobeanlage zur Bestimmung von Schmutzbesatz und Zuckergehalt
1974 Zuckersilo für 10.000t Weißzucker, Rübenlagerplatz mit einer Kapazität von 40.000t auf dem Gelände des Betriebes. (weitere Lagerplätze mit einer Gesamtkapazität von 40.000t wurden in den Folgejahren in Pritzwalk, Kyritz, Jüterbog und Dahme errichtet.)
Durch die Erweiterung des Lagerplatzes in Nauen beträgt die Gesamtkapazität im Jahre 1989 etwa 90.000t Zuckerrüben
1975 Gleis zum Rübenlagerplatz
1976 Umgestaltung eines ehemaligen Wohnhauses zu einer Wohnunterkunft für Saison-Arbeitskräfte mit einer Kapazität von 60 Betten. Bau einer Niederdruckfilterstation mit Programmsteuerung
1978 Vollautomatische Abpackanlage Typ „Hesser“ für die Abpackung von Weißzucker in 1kg-Packungen. Bau einer Kalkbrenn- und Löschanlage sowie einer Zentrifugenstation mit 4x 1.000-kg-Zentrifugen
1979 Stahlleichtbauhalle für die Unterstellung mobiler Technik
1981 Zuckerkochstation für A-Produkt. (50t-Kochapparate mit Rührwerk) Aufstockung des Zuckerhauses mit Dacherneuerung. Umgestaltung einer ehemaligen Straßenfahrzeugwaage zu einem Pförtnerhaus kombiniert mit Zugang zum Betrieb
1982 Rübenlabor. Büroräume für den Bereich Agronomie Umkleide- und Sozialräume für die Arbeitskräfte der Rübenannahme und Lagerung
1982 Superkontizentrifuge für Nachprodukt
1983 Wohnunterkunft aus Fertigteilen (Baracke) mit einer Kapazität von 30 Betten. Polnische Extraktionsanlage mit einer Kapazität von 2.000t Rüberverarbeitung/Tag und 2 polnische Turboschneidmaschinen. Salzsäurelager als Umweltschutzmaßnahme. Förderanlage für Kalksteine und Koks zur Beschickung der Vorratsbunker
1984 Polnische Anlage zur Abscheidung und Trennung von Rübenbruchstücken aus dem Schwemm- und Waschwasser. Palettierroboter zur Befüllung von Gitterboxpaletten 1 kg-Weißzuckertüten
1984/86 Extraktreinigungsverfahren mit 2facher Feststoffabtrennung
1985 Zentrifugenstation für A-Produkt, bestehend aus 5x 1.000 kg-Zentrifugen
1985 Schnitzelbandwaage für Nassschnitzel vom Vorderbetrieb zur Trocknung. Kesselhaus für die Wärmeversorgung außerhalb der Produktionszeiten (Sommerkesselhaus) mit 3 Dampferzeugern á 3,2t/h Dampferzeugung. Sozial- und Sanitärobjekt für den Hofmeisterbereich
1986 Anbau von Umkleide- und Sanitärräumen am Kultursaal
1987 Erneuerung der BMSR-Anlage für das Kraftwerk (Dampferzeuger und Turbinen). Ausbau einer betriebseigenen Wohnung
1988/89 Erweiterung der Gleisanlage
1989 Sozial- und Sanitärgebäude für die Bereiche Bau und mobile Technik. Anbau am Magazin mit Sozial- und Sanitärräumen sowie Materialausgabe und Erweiterung der Lagerkapazität. Zentrale Warte für den Produktionsbereich Vorderbetrieb
Nach 1945 fortlaufende Anschaffung zahlreicher Ausrüstungen der mobilen Technik: Diesellokomotiven, Krane, Traktoren, LKW, Gabelstapler, Hänger, Kleintransporter, Rübenstapelgeräte, Frontschaufellader und viele andere Ausrüstungen zur Rationalisierung des Transport-, Umschlags- und Lagerungsprozesse
Sozialmaßnahmen der Zuckerfabrik Nauen
Zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen, die in der volkseigenen Zuckerfabrik durchgeführt wurden.
- Neubau von 14 Wohnungen und Ausbau von 2 Wohnungen Verbesserung der Wohnbedingungen in den älteren Betriebswohnungen, besonders durch den Einbau von Bädern und den Anschluss an die Wärmeversorgung des Betriebes. An den Insgesamt 50 betriebseigenen Wohnungen werden regelmäßige Werterhaltungsmaßnahmen und Renovierungen durchgeführt. Die Mieten sind sehr niedrig. Sie liegen zwischen 30 und 40% gegenüber den ortsüblichen Mieten.
- Ständige Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen in den Produktionsgebäuden durch die Errichtung zentraler und dezentraler Aufenthalts- und Umkleideräume sowie Sanitärobjekte erhalten.
- Errichtung eines Kultur- und Speisesaales mit Betriebsküche für 280 Sitzplätze und mit Anbau für kleinere Brigade- und Familienfeiern sowie für betriebliche Beratungen
- Errichtung einer Kaffeeküche für die Pausenversorgung im Produktionsgebäude
- Durch Um- und Ausbau sowie durch Neubau wurden Unterkunftskapazitäten mit 80 Plätzen zur Unterbringung von Saison-Arbeitskräften geschaffen
- Einrichtung eines Betriebskindergartens mit 40 Plätzen
- Errichtung von 4 Bungalows als Ferienobjekt in der Gemeinde Neuglobsow, Kreis Gransee
- Jährliche Durchführung eines Kinderferienlagers
- Urlauberaustausch mit einer Partnerzuckerfabrik der CSSR
- Errichtung und Unterstützung eines Naherholungsobjektes in Ketzin
- Finanzielle und materielle Unterstützung der Eigenheimbauer des Betriebes
- Einrichtung einer eigenen Wäscherei mit Waschautomaten und Heißmangel
- Beteiligung bei der Errichtung eines Betriebsambulatoriums für Nauener Betriebe
- Bereitstellung von Betriebsgärten für Beschäftigte
- Unterstützung von betrieblichen Interessengemeinschaften zur Errichtung von insgesamt 60 Pkw-Garagen
- In Verbindung mit Investitions- und Rationalisierungsmaßnahmen erfolgt eine ständige Verbesserung der Arbeitsbedingungen in allen Bereichen des Betriebes
- Auch im Betriebskollektivvertrag, der jährlich überarbeitet wird, sind zahlreiche Maßnahmen zu einer Unterstützung der Werktätigen festgelegt. Das betrifft z.B. Zuwendungen für die verschiedensten Anlässe, eine finanzielle Stimulierung der Betriebstreue, Unterstützung der Kollektive in der gesellschaftlichen, kulturellen und sportlichen Betätigung sowie bei der Freizeit- und Urlaubsgestaltung
Volkskunst und Sport
- Aufbau und jährliche Unterstützung eines Jugendblasorchesters
- Sportliche Betätigung in verschiedenen Sektionen der BSG „Empor Ost“
- Betriebsgruppe DAV (Angeln)
- Sportvergleiche mit anderen Zuckerfabriken und einer Pateneinheit der sowjetischen Armee
- Mitwirkung bei der Durchführung von Betriebsfestspielen und anderen Kulturveranstaltungen im Kulturraum des Betriebes
Kommunale Beziehungen der Zuckerfabrik zur Stadt Nauen
- Jährlicher Abschluss von Kommunalverträgen zur finanziellen und materiellen Unterstützung des Rates der Stadt Nauen zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Bürger und zur Durchführung von kulturellen Veranstaltungen mit einem durchschnittlichen Wert von etwa 50.000 Mark.
- Wärmeversorgung für ein Neubaugebiet mit 320 Wohneinheiten, für eine Kinderkombination mit 250 Plätzen und für ein Betriebsambulatorium.
- Patenschaftsbeziehungen zu einem Wohnbezirk und einer Polytechnischen Oberschule in Nauen
- Mitwirkung beim Um- und Ausbau von KWV-Wohnungen für Werktätige der Zuckerfabrik
- Bereitstellung des Kulturraumes und der betriebseigenen Gaststätte für gesellschaftliche und kulturelle Veranstaltungen
- Jährlicher Abschluss eines Kommunialvertrages mit dem Rat der Gemeinde Neuglobsow über 4.000 Mark für eine ständige Verbesserung der Urlaubsbedingungen (die Zuckerfabrik hat ein Urlaubsprojekt mit 4 Bungalows in Neuglobsow)
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Verfasser: Marco Strahlendorf