Teil 1 unserer Reihe zur Entwicklung des Bahnverkehrs in Nauen

Als Nauen im Jahr 1826 zur Kreisstadt des 10 Jahre zuvor neu gebildeten Kreises Osthavelland ernannt wurde, erwachte die kleine Ackerbürgerstadt aus ihrem Dornröschenschlaf. Obwohl ihr schon im Jahre 1292 das Stadtrecht verliehen wurde und sie strategisch günstig am einzigen Übergang durch das Havelländische Luch lag, führten die bedeutenden Heer- und Postwege Berlin-Fehrbellin-Hamburg und Berlin-Brandenburg-Magdeburg an Nauen weiträumig vorbei. Das änderte sich nun schlagartig!

Berlin Hamburger-Bahnhof um 1850 - Eisenbahn in Nauen
Berlin Hamburger-Bahnhof um 1850

Bereits im Jahre 1830 wurde die neue Chaussee Berlin – Nauen – Hamburg fertiggestellt, wodurch eine lebhafte Bautätigkeit in der Stadt begann. Dieser Aufschwung fiel idealerweise genau in das neue Eisenbahnzeitalter. Bereits 1836 unterstützen Berliner und Hamburger Industrie- und Handelskreise sowie der deutsche Eisenbahnpionier Friedrich List eine Streckenverbindung zwischen beiden Städten, die damals allerdings über Hoheitsgebiete von 5 eigenständigen Ländern führen sollte.  Am 08.11.1841 war es dann aber soweit. Vertreter der Freien und Hansestadt Hamburg, der dem dänischen König unterstehenden Herzogtümer Holstein und Lauenburg, des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, des Königreichs Preußen sowie der Freien Hansestadt Lübeck als Miteigentümerin (neben Hamburg) von Bergedorf unterschrieben einen entsprechenden Staatsvertrag.

Streckenführung Berlin-Hamburg 1846 - Eisenbahn in Nauen
Streckenführung Berlin-Hamburg 1846

Die Strecke wurde ab dem 6. Mai 1844 von der Berlin-Hamburger Eisenbahn-Gesellschaft erbaut. Am 15. Oktober 1846 erfolgte die Eröffnung der Teilstrecke Berlin – Boizenburg und zwei Monate später war die gesamte Strecke von Berlin Hamburger Bahnhof (ab 1884 Lehrter Bahnhof) bis nach Hamburg Berliner Bahnhof (ab 1906 Hamburg Hauptbahnhof) mit einer Gesamtlänge von damals 292,6 km durchgängig befahrbar. Sie war damals die längste Fernbahnstrecke in den deutschen Ländern.

Borsig Lokomotive - Eisenbahn in Nauen
Borsig Lokomotive

Die erste Fahrt von Berlin nach Hamburg dauerte über neun Stunden. Die Lokomotiven Hansa, Concordia, Vorwärts, Germania und Amazone zogen die Güterwagen und die insgesamt 33 Personenwagen der kombinierten ersten und zweiten Klasse sowie 43 Wagen der dritten Klasse. Es gab auch einen Wagen für „höchste Personen“, den Kaiser Wilhelm II. oft erst in Nauen bestieg, um seine Reisen in den Norden des Reiches möglichst geheim zu halten.

Hamburg Berliner-Bahnhof Bahnhofshalle um 1870 - Eisenbahn in Nauen
Hamburg Berliner-Bahnhof Bahnhofshalle um 1870

Ursprünglich war geplant, daß auch die sogenannte Lehrter Bahn von Berlin über Wustermark und Stendal nach Hannover auch über Nauen führen sollte. Die Bedingung war, daß die Stadt Bauland zur Verfügung stellen und sich an den Baukosten beteiligen sollte. Der Bahnhof sollte ca. 500 Meter außerhalb der Stadt am Tremmener Landweg gebaut werden. Dieser zweite Bahnhof war den Stadtvätern wohl dann doch zu heiß und so scheiterte dieses Vorhaben.

Hamburg Berliner-Bahnhof um 1870 - Eisenbahn in Nauen
Hamburg Berliner-Bahnhof um 1870

Ab 1884 erfolgte schrittweise die Verstaatlichung der Berlin-Hamburger Eisenbahn-Gesellschaft. Am 01.04.1885 wurde die gesamte Strecke von der Königlich Preußischen Eisenbahnverwaltung (KPEV) der Königlichen Eisenbahndirektionsbezirk zu Altona (KED) unterstellt. Der Bahnhof Nauen war nunmehr Eigentum der Preußischen Staatseisenbahn und durfte sich ab jetzt Staatsbahnhof nennen.

Eisenbahn in Nauen

KPEV-Logo Gepäckwagen - Eisenbahn in Nauen
KPEV-Logo Gepäckwagen

Nauen hatte schon immer sehr engagierte Bürger und Ratsmitglieder, wie z.Bsp. den Ratsherrn und Zigarrenfabrikanten Ringewaldt. Auf seine Anregung konnte der Verein für städtische Interessen durch Verhandlungen erreichen, dass Nauen ab 1891 in den Berliner Vorortverkehr einbezogen wurde. Durch diese Maßnahme rückte die Stadt näher in den Berliner Einflussbereich und wurde schließlich ab 1895 der Königlichen Eisenbahndirektion Berlin zugeordnet. Seitdem liegt westlich von Nauen bis heute die Direktionsbezirksgrenze.

Autor: Uwe Ulrich

Hier zum 2. Teil – Der Ursprungs-Bahnhof von Nauen