Der Dreißigjährige Krieg brachte auch der Stadt Nauen furchtbare Not und großes Elend. Die Entwicklung der Stadt wurde um Jahrzehnte zurückgeworfen. Berichte aus dieser Zeit besagen, dass kaum eine märkische Stadt so zu leiden hatte wie Nauen, weil es an der Hauptstraße der in der Nord-Süd- Richtung verlaufenden Raubzüge durch das Luch lag.
Die erste Bekanntschaft mit dem Krieg macht die Stadt Nauen im Jahre 1626 mit den durchziehenden Truppen des protestantischen Grafen Ernst von Mansfeld. Dieser war an der Dessauer Elbbrücke im April 1626 von dem Heer Wallensteins besiegt worden. Er flüchtete über Brandenburg in unsere Gegend, um sein Heer neu aufzufrischen. Dabei handelte er selbstverständlich auch nach dem Motto „Der Krieg muss den Krieg ernähren“. Am 18.4.1626 erschienen drei Schwadronen Reiter am Mühlentor und forderten Einlass. Als die Bürger Nauens diesen Mansfeldischen Truppen den Einlass verwehrten, wurde das Tor mit einer Kanone zusammengeschossen, und die Soldaten machten Quartier. Aus Rache für den Widerstand der Nauener Bürger schleuderten die Truppen beim Verlassen der Stadt Brandfackeln in die am leichtesten brennbaren Gebäude, so dass sie, in Flammen aufgingen und die Stadt ganz niederbrannte. Über das Ausmaß des Brandes heißt es in einem Brief des Pfarrers zu Bredow am 27.4.1626: „Um 10 Uhr nachts brennt die ganze Stadt mit Kirche, Schule, Rathaus und Turm. Nur das Mauerwerk vom Turm blieb stehen. Viele Menschen verließen bloß und nackt die Stadt, andere kamen um. In der Kirche, die vollständig ausbrannte, wurden 6 Tote gefunden. Das Obdachlose Nauener Volk hatte daraufhin in Niebede und Gohlitz unterschlupf gefunden.“ Es muss hier noch hinzugefügt werden, dass sich der Brand deshalb so schnell verbreiten konnte, weil die Dächer der Häuser um diese Zeit noch mit Rohr oder Stroh bedeckt waren.
Nauen hatte großen Aderlass
Im Jahre 1627 folgte ein neues Unglück. Nachdem Wallenstein in diesem Jahr die Trümmer des Mansfeldischen Heeres aus Schlesien vertrieben hatte, kamen die Wallensteinischen Truppen bei ihrer Verfolgung des Dänischen Heeres in die Mark. Auch bei diesen Kriegszügen litt des Land fürchterlich, da es nicht nur die Truppen unentgeldlich nähren, sondern auch schwere Kriegssteuern zu ihrer Löhnung zahlen musste. In einer Bittschrift der Nauener Stadtväter an den Kurfürsten im Jahre 1627 wird von drei Kompanien Fußvolk und 1200 Pferden gesprochen, die von der völlig verarmten Bevölkerung ernährt werden mussten. Außerdem musste die Bevölkerung Schanzarbeiten verrichten, wodurch auch der Damm, die Lebensader Nauens, „… gar vertorben“ wurde. (Der Ausdruck entstammt einem zeitgenössischen Bericht.) Die Schäferei und das Vorwerk Nauens wurden täglich geplündert. Die Bauern konnten ihr Getreide nicht einfahren, da die Pferde für die Schanzarbeiten Holz fahren mussten. Alles, was nicht niet- und nagelfest war, wurde für diese Befestigungsarbeiten verwandt, ganz gleich, ob es sich um Scheunentore, Dielen oder Gehege handelte. In einer Liquidation vom 10.3.1628 finden wir eine Aufstellung der durch die Wallensteinischen Truppen erlittenen Verluste: Insgesamt wurden von der Stadt 400 Taler Kontribution verlangt, sowie 35 Rinder, 31 Schweine und 109 Hammel von Soldaten geraubt und geschlachtet. Weiterhin wurden bis zu diesem Zeitpunkt 230 Pferde gestohlen. Die Gesamtschadensumme beträgt nach dieser Urkunde 8179 Taler, 5 Groschen, 9 Pfennige. Um einen Oberblick über die wirkliche Höhe der erwähnten Verluste zu erhalten, seien nur folgende damals handelsübliche Preise angeführt:
1 Schwein kostete 2 Taler
1 Kuh kostete 5 Taler
1 Pferd kostete 10 Taler
Die kleinen Ackerbürger mussten große Armut erfahren
Im Verlaufe dieser Raubzüge fremder Soldaten in Nauen gibt es auch Beispiele des Klassenkampfes innerhalb der Nauener Bevölkerung. So gab es nicht wenige Versuche der Nauener Großbürger, die Last des Krieges auf die kleinen Ackerbürger der Stadt abzuwälzen. Dabei kommt es zu harten Kämpfen, die nur mit Gewalt vom Kurfürsten und mit Hilfe des Klerus unterdrückt wurden:
Im Jahre 1629 hatte sich ein gewisser Oberst Altringer mit seiner Kompanie Soldaten in Rathenow niedergelassen. In diesen Tagen verlangte er vom Nauener Magistrat eine Kontribution in Höhe von 2000 Talern sowie für 1.000 Taler Tuch und Getreide. Bei Nichtzahlung sollte sich die Kontribution täglich erhöhen. Zur Eintreibung der Forderungen beließ der Oberst 24 Soldaten in Nauen. In einer Volksversammlung aller Bürger Nauens vor dem Rathaus wurde diese Forderung Altringers bekanntgegeben. Die Magistratsherren verfügten, dass jeder Bürger, unabhängig von der Größe seines Besitzes, eine Kuh zu liefern habe. Das bedeutete natürlich eine Abwälzung der Schuldenlast auf die kleinen Ackerbürger, die auf diese Art und Weise ihre einzige Kuh losgeworden wären, während es die Großgrundbesitzer weniger getroffen hätte, da sie zweifellos über mehr Vieh verfügten. Hierbei kam es zu einem offenen Aufstand der Nauener Ackerbürger gegen die Herrschaft der Patrizier. In einem hilfeflehenden Beschwerdebrief des Stadtrates an den Kurfürsten finden wir u.a. die Worte „… sie debochieren mit Schelt-, Schmäh- und Drohworten und zeigen allerlei Mutwille und Rebellion….“ Außerdem verkauften oder schlachteten die kleinen Ackerbürger zum Zeichen des Widerstandes gegen diese Anordnung des Magistrats ihr Vieh, so dass sie nichts mehr abgeben konnten. Durch diesen Aufstand wurde die Zahlung der Viehkontribution durch die Großbürger von der Stadtarmut erzwungen. Allerdings wurden die Anführer des Aufstandes durch einen Befehl des Kurfürsten mit einem Kanzelablass der Kirche bestraft.
Zu allem kam dann noch die Pest nach Nauen
Die Ausplünderung der Stadt Nauen durch fremde Truppen ging etwa bis zum Jahre 1644. Im bunten Wechsel erschienen Schweden, Kaiserliche und Kursachsen, die brandschatzten, raubten, die Bevölkerung erpressten und die Frauen schändeten. Noch im Jahre 1641 wurde der Nauener Bürgermeister Dänicke wegen Verweigerung der Kontribution von fremden Truppen erschossen. Die Gesamtsumme der von der Stadt im Dreißigjährigen Krieg gezahlten Kriegskontribution belief sich 1644 auf 79.179 Taler.
Zu allem Unglück kam 1638 noch die Pest, bei der fast die Hälfte der Einwohner Nauens starben. Bardey berichtet, dass die Pest besonders schlimm unter den im Glien sitzenden Schweden wütete, die aus Furcht vor dieser Krankheit in die Wälder flohen. Aus dieser Zeit soll auch die jenseits des Dammes liegende Schwedenschanze stammen. Um sich vor einer weiteren Ansteckung zu schützen, trugen die Nauener die Holzbrücke über den Graben, der den Damm am späteren Strandgarten kreuzt, ab. Nach zeitgenössischen Berichten lagen die Leichen in der Stadt auf der Straße umher, und hungernde aßen stinkendes Aas. An den Häusern der mit Pest befallenen Familien hingen rote Pestlaternen. Für den Transport der Leichen zum Friedhof gab es besondere Pestwegen. Es dauerte sehr lange, bis sich die Stadt Nauen von den Folgen des Dreißigjährigen Krieges und der Pest erholt hatte. Mehrfach musste der Magistrat den preußischen Fürsten um Steuererleichterungen zur Milderung der Not und zum Wiederaufbau der Stadt ersuchen.
Quelle: Aufzeichnungen Fritz Warncke († 2017)
Zeichnung: Joachim Horn († 2020)