Als am 1. November 1907 das Nauener Krankenhaus eingeweiht wurde, fand damit eine Entwicklung ihren Abschluss, deren Anfänge bis in das Jahr 1395 zurückgingen. Bereits damals hatte der derzeitige Landrat von Steinmeister der Überzeugung Ausdruck gegeben, dass ein Krankenhaus notwendig sei, für dessen Bau Kreismittel zur Verfügung gestellt werden sollten. Gegen diesen Plan wurden Bedenken dahingehend geäußert, dass es Nauen bis dato noch an ausreichenden Eisenbahnverbindungen mit den Ortschaften des Kreisgebietes fehle und dass damit die rationelle Ausnutzung eines solchen Krankenhauses in Frage gestellt sei. Grundsätzlich war man jedoch nicht gegen den Bau und beschloss schließlich, dass das Projekt nach Fertigstellung der damals im Bau befindlichen und geplanten Eisenbahnverbindungen Nauen – Wildpark und Nauen – Velten in Angriff genommen werden sollte.
Im Kreisgebiet befinden sich damals zwei Krankenhäuser: das städtische Lazarett in Nauen mit 3o Betten und das städtische Krankenhaus in Ketzin mit 17 Betten. Es war also angesichts der ständig zunehmenden Einwohnerzahl des Kreises dringend an der Zeit, dass etwas geschah! Am 9.4.1901 fasste der Kreistag den endgültigen Beschluss, das Krankenhaus auf einem inzwischen an oder Ketziner Chaussee aufgekauften Gelände von 31.200 m² zu errichten.
Die finanziellen Verhältnisse des Kreises ließen es jedoch angeraten erscheinen, mit dem Bau noch zu warten, das Projekt wurde deshalb um drei Jahre vertagt, zumal der mit dem 1. Preis bedachte Entwurf des Regierungsbaumeisters Lüdicke aus Berlin, nicht zur Ausführung kommen konnte, weil dieser Architekt aus zeitlichen Gründen nicht in der Lage war, die Bauleitung zu übernehmen. Inzwischen wurden jedoch durch den Nachfolger Steinmeisters, den Landrat von Wilms, die Vorbereitungen weiter vorangetrieben, um nach Ablauf der Frist unverzüglich mit dem Bau beginnen zu können. Der Architekt Paul Weidner (Charlottenburg) arbeitete unter Beratung durch den Landesbaurat Prof. Goecke aus Berlin den neuen Bauplan aus, der vom Kreistag am 2. November 1905 unter der Bedingung genehmigt wurde, dass sich die Stadt mit 50.000,00 Mark am Bau beteiligen sollte. Diese Bedingung wurde von den Städtischen Körperschaften durch Beschluss vom 19.12.1905 bestätigt. Die Stadt erklärte sich bereit, die Chaussee bis zum neuen Krankenhaus städtisch auszubauen.
Nach Eingang der notwendigen Genehmigungen und Fertigstellung des Entwurfes sowie der Kostenvoranschläge durch die Architekten Mohr und Weidner wurde im Frühjahr 1906 mit den Bauarbeiten begonnen, der Rohbau wurde bei günstigen Wetterverhältnissen im Spätsommer 1906 fertiggestellt. Im Sommer 1907 erfolgten der innere Ausbau und die Herstellung der Klär-und Gartenanlagen, welch letztere nach einem Entwurf des Garteninspektors Zahn aus Berlin Steglitz ausgeführt wurden. Folgende Nauener Firmen (neben zahlreichen auswärtigen) waren am Bau beteiligt:
Maurer- und Zimmererarbeiten: A. Kellermann
Zimmererarbeiten: W. Sittel u. Sohn
Steinmetzarbeiten: Ehlert
Tischlerarbeiten: Peterhoff und Bennier
Klempnerarbeiten: W. Krug
Malerarbeiten: E. Rumpff
Schlosserarbeiten: Schröder
Gipserarbeiten: Lüdicke
Eiserne Krankenmöbel und Haushaltsgegenstände: Otte Voss
Uhren: Carl Wendt
Bezüglich der Größe und Belegfähigkeit des Krankenheusee wurde zu Grunde gelegt, dass auf je 1.000 Einwohner der Kreises ein Krankenbett zu rechnen sei, Eine evtl. Erweiterung der Baulichkeiten war von vornherein architektonisch mit eingeplant. Neben dem Hauptgebäude standen am Einweihungstag ein Wirtschaftsgebäude sowie ein Isolierbau für Infektionskranke zur Verfügung. Das Hauptgebäude das gegen Staubeinwirkung 3o m von der Straße entfernt war, enthielt vier Stockwerke und war mit einem Uhrtürmchen gekrönt. Am 1. November 1907 erfolgte die feierliche Eröffnung der Anstalt durch den Landrat Adolf von Hahnke in Anwesenheit der kommunalen Körperschaften der Stadt- und Landgemeinden und der Ärzte des Kreises Osthavelland. Die Kronprinzessin hatte genehmigt, dass das Krankenhaus ihren Namen tragen durfte und die Kreisverwaltung beschloss, das Haus „Cäcilie-Kreis-Krankenhaus“ zu nennen. Der Kaiser verlieh Kreisarzt Dr. Aust den Roten Adlerorden 4. Klasse. Das Nauener Krankenhaus war ein den damaligen Bedürfnissen und Anforderungen angemessener Gruppenbau, der aus dem Hauptbau, einem Isolierhaus und den entsprechenden Wirtschaftseinrichtungen bestand. Für alle Fälle war 1908 noch eine Döcker’sche Baracke mit vollständiger Einrichtung für eventuellen stärkeren Krankenanfall aufgestellt worden.
Der größte Teil des Gartens war als Ziergarten mit Spazierwegen, Ruheplätzen und Rasenflächen angelegt, während der kleinere, hinter dem Haupt- und Wirtschaftsgebäude gelegene Teil als Obst- und Gemüsegarten Verwendung fand. Durch Ankauf einer im Norden angrenzenden Gärtnerei mit Obstplantage erfuhr dieser Gartenteil im Jahre 1909 eine erhebliche Erweiterung. Die Gartenpartie vor der Front des Hauptgebäudes wurde zur Erzielung einer vollen Wirkung der Architektur 5o m breit gehalten und mit einem teppichartigen Rondell versehen. An der Westseite war sie zur Abhaltung des Straßenstaubes mit dichtem Strauchwerk bepflanzt. Die nun folgende Beschreibung der Gebäudeteile und deren technischer Einrichtung wird einem Bericht des damaligen Kreisarztes Dr. Karl Aust entnommen, den dieser 1910 im „Kalender für den Kreis Osthavelland“ hatte erscheinen lassen:
Durch das an der Westgrenze gelegene Haupttor betrat man den Vorgarten und durch den gegenüberliegenden Haupteingang mit verandenähnlichem Vorbau das Erdgeschoß des Hauptgebäudes. Die architektonische Formgebung des letzteren Passte sich unter sparsamster Verwendung barocker Motive der freien Landschaft an. Durch den kurzen Flur, an dessen Seite sich das Aufnahme- und Verwaltungsbüro befand, gelangte man in eine geräumige, durch zwei große bunte Fenster mit wohltuend abgetönter Tagesbeleuchtung versorgte Treppenhalle, um die sich Kranken-, Operations- und Nebenräume in zweckmäßiger und bequemer Weise gruppierten. Den elektrischen Strom lieferte eine im Wirtschaftsgebäude von der Wäscherei- Dampfmaschine mitgetriebene Dynamomaschine, die auch das Operationszimmer mit elektrischem Licht versah, während alle übrigen Räume Gasbeleuchtung hatten. Die Gruppierung der Kranken- und Tagesräume war eine bis dahin wenig angewandte. In beiden, nach Osten und Süden gerichteten Hauptflügeln lagen die Krankenzimmer auf der Sonnenseite, also nach Osten und Süden bzw. Süden und Westen. Jeder Flügel hatte in der Mitte des 5,15 m breiten Korridors einen Tagesraum von 8 m Länge, der durch eine Glastür gut zu übersehen war. Die Beleuchtung der Tagesräume durch vier große Fenster war vorzüglich.
Mit Ausnahme eines größeren Zimmers für zehn Kranke waren nur kleinere Krankenräume für ein, zwei, drei oder fünf Betten vorhanden, eine Einrichtung, die kleineren und mittelgroßen Anstalten mit verhältnismäßig geringer Patientenzahl eine natürliche Trennung der verschiedenen Krankheitsformen und eine individuelle Gruppierung der Insassen gestattete. Das am Ende des Ostflügels im Erdgeschoß befindliche Zimmer mit vier Betten wurde als Tuberkuloseabteilung genutzt und war als solches von den übrigen Räumen durch eine Glastür getrennt und mit eigener Bade-und Klosetteinrichtung sowie mit Zugang zu einer Liegehelle und ins Freie hinaus versehen.
Den Abschluss des Südflügels bildete das große l0-Bettzimmer, das einen direkten Ausgang auf die Veranda und in den Garten hatte. Von der Halle des Erdgeschosses führte eine breite und bequeme Treppe zu dem als Frauenabteilung benutzten Obergeschoss. Im Mittelpunkt enthielt das Obergeschoss die Wohnung für die Arzte und die Oberschwester. Im Übrigen entsprach die Raumeinteilung der des Untergeschosses. Der Ostflügel schloss hier mit einem geräumigen Balkon ab. Jede Station war mit Feldküche, Klosett und Baderaum ausgestattet. Das Dachgeschoß enthielt im Mittelbau Wohnräume für Schwestern und weibliches Dienstpersonal. Im Kellergeschoss befand sich die Kochküche mit Neben- und Vorratskellern die Räume für die Kessel der Heizungsanlage mit Werkstatt, Kohlenkeller und Warmwasserbereitungsanlege lagen von der Kücheneinrichtung gut getrennt. Im Keller befand sich auch eine Zelle für Deliranten, sie war mit Fußbodenheizung versehen. Das eingeschossige Isolierhaus bestand aus zwei durch besondere Eingänge direkt von außen zugänglichen Abteilungen. Die Krankenräume für neun Kranke waren nach Süden gerichtet. Ein Schwesternzimmer in der Mitte gestattete den Zugang zu beiden Abteilungen. Am Stirnende der Ostseite war noch ein besonderer Raum mit eigenem Eingang Kranke mit großer Ansteckungsgefahr (Pocken) vorhanden. Da er meist unbelegt blieb, wurde er in der Regel als Operationsraum für alle chirurgischen Komplikationen ansteckender Krankheiten, insbesondere für Ausführung des Luftröhrenschnittes hei Diphterie- Kranken verwendet. Die den Fell der Überbelegung aufgestellte Döcker’sche Baracke war eine sogenannte Tropenbaracke mit doppeltem Dach, sie stand auf gemauerten Grundpfeilern. Die Baracke wurde vorwiegend mit Haut- und Krätzekranken belegt, die hiermit von den übrigen Kranken hinreichend isoliert waren. Die gesamten technischen Einrichtungen des Krankenhauses entsprachen dem damaligen neuesten Stand. Der Vernichtung von Müll und Kehricht sowie von verbrauchten Verbandsstoffen, Obduktions- und Operationsüberresten diente ein im Kesselhaus aufgestellter Verbrennungsofen. Der Operationsraum, die Bäder und Teeküchen waren mit glasierten Wandplatten belegt. Alle Räume waren mit Doppelfenstern versehen. Das ärztliche Personal bestand bei der Einweihung aus dem Chefarzt, Kreisarzt Dr. Aust, dessen Stellvertreter, Dr. David, einem im Krankenhaus wohnenden Assistenten und einem Medizinalpraktikanten.
Zur Krankenpflege waren durch Vertrag mit dem „Vaterländischen Frauenverein“ zu Berlin aus dessen „Auguste- Viktoria- Krankenhaus“ in Weißensee fünf Schwestern vom Roten Kreuz angestellt, von denen eine als Oberschwester fungierte sowie als Operationsschwester das OP- Zimmer mit Inventar in Ordnung zu halten hatte. Einem gleichzeitig als Oberwärter ausgebildeten Hauswart lag die Aufsicht über die Gebäude, die technischen Anlagen und den Garten ob. Das technische Personal bestand aus einem Maschinisten, der die Heizungs-und Dampfkesselanlege bediente, einem Desinfektor, der gleichzeitig als Hausdiener fungierte, und einer Wirtschaftsleiterin. Zwei Küchen- und zwei Stationsmädchen sowie ein Hausmädchen bildeten das Dienstpersonal. Die insgesamt mit 65 Krankenbetten ausgestattete Einrichtung wies seit ihrem Bestehen eine stetig steigende Patientenzahl, die zur Hälfte aus chirurgischen Fällen bestand, auf. Die durchschnittliche Belegziffer war im Jahre 1908 43 Kranke, 1909 bereits 49 Kranke. Soweit die Beschreibung des Nauener Krankenhauses am Tage seiner Einweihung, wie sie durch den ersten Chefarzt Dr. Aust veröffentlicht wurde. Die Baukosten für die Gesamtanlage hatten ca. 26o.000,- Mark betragen, zu ihnen kamen durch den sehr bald erfolgenden Erweiterungsbau noch etwa 120.000,- Mark hinzu. Diese Baukosten wurden noch durch die notwendigen Mittel für Inventar etc. erhöht und beliefen sich für den ersten Bauabschnitt des Erweiterungsbaues auf 45.000,- Mark. Das Krankenhaus verfügte jetzt über 73 Betten, am Ende der Erweiterungsbauten hatte sich die Kapazität der Anstalt auf 100 Betten erhöht. Chefarzt Dr. Aust hatte zu den besonderen Förderern für den Bau des Krankenhauses gehört. Er war von 1900 – 1920 Mitglied der Gesundheitsdeputation der Stadt Neuen, von 1924 – 1929 hatte er der Fürsorgedeputation angehört, er befand sich unter den Gründern des Ärztevereins für das Havelland und war zehn Jahre lang Vorsitzender des Kreisverbandes vom Roten Kreuz. MR Dr. Karl Aust ist im 70. Lebensjahr am 03.05.1933 in Potsdam gestorben. während des ersten Weltkrieges war Dr. Aust Stabsarzt beim Heer. Von 192o hie 1945 war Dr. med. Kron Chefarzt des Krankenhauses und in seiner Amtszeit erfolgte in den Jahren 1929 – 1931 die völlige Modernisierung der Anstalt, die mit einer baulichen Umgestaltung zu dem noch heutigen Aussehen verbunden war. Der Kostenaufwand für diese Umgestaltung betrug etwa 2,25 Millionen Mark, also einem Mehrfachen der Gründungsbaulichkeiten!
Nach der Erneuerung verfügte das Krankenhaus über 304 Betten, die auch noch heute seine Kapazität darstellen. Nach dem Fortgang von Dr. Kron folgte für das Nauener Krankenhaus eine etwas unruhige Zeit, denn zwischen 1946 und 1949 hatte das Haus „nur“ sechs Chefärzte(!), was für eine ruhige und zielbewusste Leitung, wie sie ein Krankenhaus nun einmal braucht, nicht gerade förderlich gewesen sein dürfte. Unter anderem waren in diesen Jahren Dr. med. Beckmann, Dr. med. Waas und Professor Dr. med. habil. Haßlinger als Chefärzte tätig. Letzterer wurde Chefarzt des Bezirkskrankenhauses in Potsdam. Seit 1949 leitete dann als „Ärztlicher Direktor“ MR. Dr. med. Korth die Geschicke des Hauses, bis er im Jahre 1971 Nauen verließ. Nach seinem Fortgang übernahm der Chefarzt der Inneren Abteilung, MR. Dr. med. Kral die einstweilige Leitung bis zur Neueinsetzung eines ärztlichen Direktors.
Im Jahre 1945 besaß die Anstalt eine Seuchenstation, es waren in der Einrichtung 28 Krankenschwestern und 17 Hilfsschwestern tätig. Zu diesem Pflegepersonal kamen noch Hebammen, Masseure und Helferinnen im Sanitätswesen hinzu. 1949 waren es dann bereits 42 Krankenschwestern, 3 Hilfsschwestern, 12 Lehrschwestern, 1 Laborantin, 1 Masseur und 3 med. techn. Assistenten vorhanden. Die Zahl der verfügbaren Krankenbetten betrug im Jahre 1951 370 Plätze, die sich damals wie folgt verteilten:
Innere Abteilung: 139 Betten (3 Ärzte, 15 Krankenpfleger)
Infektionsabteilung: 55 Betten (1 Arzt, 6 Krankenpfleger)
Tuberkuloseabteilung: 57 Betten (8 Krankenpfleger)
Chirurgische Abteilung: 106 Betten (3 Arzte, 18 Krankenpfleger)
Geburtshilfeabteilung: 12 Betten (1 Arzt, 3 Krankenpfleger)
Im gleichen Jahr waren folgende Ärzte und sonstiges medizinisches Personal tätig:
Als Chefarzt Dr. Hans Korth, leitender Arzt für Innerers: Dr. Joachim Giermann, Dr. Johanna Scheuer, Dr. Hans Lederle, Dr. Hubert Wendt, ferner als Oberarzt Dr. Hellmuth Koblenz. Zu dieser Zeit amtierte die Oberin Wally Lewandowski. Das Krankenhauspersonal betrug im Jahre 1951 164 Personen. Im Jahre 1980, wurde besonderes Gewicht auf Traumatologie gelegt, da durch die durchführende Transitstraße des Haus zum Schwerpunkt in der Unfallhilfe geworden ist. Der Ärztliche Direktor ist MR. Dr. med. Bruno Boye. Im Jahre 1950/51 entstand auf dem Krankenhausgelände der Neubau einer modernen Poliklinik, deren Gründung auf des Jahr 1948 zurückgeht. Im November 1968 wurde gegenüber dem Krankenhaus der Neubau der Kreistuberkuloseberatungsstelle bezogen.
Quelle: Aufzeichnungen Fritz Warncke († 2017)